Von Thomas Bartoschek, Institut für Geoinformatik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Am Institut für Geoinformatik (ifgi) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) forschen wir zu vielen Themen: dazu gehören Semantische Interoperabilität, Raum-Zeitliche Modellierung und Messung von Umweltfaktoren, Sensor Web und Geoprocessing, Situated Computing und Raumkognition. In meinem Bereich konzentriere ich mich im Wesentlichen auf das Lernen und Lehren mit Geoinformation bzw. Geoinformation in der Schule. Das dient nicht allein meiner Forschung, sondern soll eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schlagen und den Wissenstransfer von der Uni in die Schulen und damit in die Köpfe von Lehrern und Schülern ermöglichen.
Im Sinne der aktiven Wissenschaftskommunikation habe ich daher bereits 2006 mit meinem damaligen Kommilitonen Grischa Gundelsweiler (jetzt bei Esri Deutschland und Autor bei GIS IQ) das Schüler- und Forschungslabor GI@School gegründet. Mit der Initiative konnten wir eine große Zahl an Projekten durchführen – auch im internationalen Kontext – und für einige wurden wir ausgezeichnet. Uns freut besonders, dass wir kürzlich auch für den Preis „Schule trifft Wissenschaft“ der Robert-Bosch-Stiftung nominiert wurden, den höchstdotierten Preis für Projekte dieser Art in Deutschland.
GI@School Regelbetrieb
Wir sind bei GI@School mittlerweile ein Team von sieben Mitarbeitern, das regelmäßig für bestimmte Veranstaltungen durch andere Institutsmitarbeiter und Studenten ergänzt wird. Es stehen Lehrerfortbildungen, Projekttage und -wochen, die Begleitung von Projektkursen oder AGs, aber auch kurze Unterrichtseinheiten und Schülerbesuche auf dem Programm. Hierfür nutzen wir eine Reihe von Geo-Technologien, die den Unterricht in vielerlei Hinsicht bereichern können. Esri Software spielt dabei eine wichtige Rolle, da neben dem Desktop auch Lösungen für Server, Online und Mobile bereitstehen, was eine sehr gute Durchgängigkeit und damit eine Vielzahl didaktischer Konzepte ermöglicht.
In unseren regelmäßig stattfindenden Lehrerfortbildungen und Schülerprojekten nutzen wir häufig die Möglichkeiten von ArcGIS Online, um Webkarten auf Basis verschiedenster Datenquellen zu erstellen und mit der Öffentlichkeit zu teilen. Noch tiefer in die GIS-Welt tauchen wir in unserem Schülerlabor MExLab ExperiMINTe, der Dachorganisation für Schülerlabore der WWU, ein. Dort haben wir ArcGIS for Desktop auf 30 Laptops zur Verfügung und zeigen, was möglich ist im Bereich Kartographie, Geoprozessierung und Analyse. In einer kürzlich durchgeführten Projektwoche mit der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck zum Thema Geoinformatik in Stadtgeschichte und Archäologie – GIStory – nutzten wir ArcGIS für verschiedene Aufgaben: Wir erstellten in ArcGIS for Desktop Karten und Modelle zur historischen Stadtentwicklung von Havixbeck. Auf Basis von Fernerkundungsdaten (IR-Luftbildaufnahmen unseres ifgicopter und Laserscan-Daten) erzeugten wir spezielle Analysekarten. Wir verorteten archäologische Bohrpunkte, verschiedene Funde und publizierten mit ArcGIS Online unsere Ergebnisse.
Esri Development Center & Geospatial Learning
Der Regelbetrieb nimmt bereits viel Zeit in Anspruch, aber die Forschungsaktivitäten im Bereich des räumlichen Lernens mit Geoinformation sollen ebenfalls nicht zu kurz kommen. Auch hier kooperieren wir eng mit Esri.
Das ifgi ist das erste Esri Development Center (EDC) in Deutschland und profitiert dadurch bereits seit 2009 von diversen Mehrwerten wie Schulungen, Beratung und gemeinsamen Initiativen. Ein Standbein, neben der raum-zeitlichen Modellierung und Analyse, ist GI@School: Im Wintersemester 2011/2012 wurde beispielsweise gemeinsam das Projektseminar Educational MapApps durchgeführt. Mit 20 Studierenden wurden in Kleingruppen Anwendungen (Apps) auf Basis von Open Data für den Einsatz an Schulen entwickelt. Zwei der Anwendungen wurden beim Wettbewerb Apps für Deutschland eingereicht und eine erhielt eine Auszeichnung.
GI@School wird zudem seit 2009 im Projekt Geospatial Learning von Esri Inc. gefördert. Hier werden Anwendungen entwickelt, die das räumliche Denken und Lernen von Kindern im Grundschulalter und darüber hinaus unterstützen sollen. Wir fokussieren uns dabei auf spielerische Ansätze, ein erster Prototyp wurde 2010 für den XO-Laptop von One Laptop per Child entwickelt und erfolgreich in Schulen in Deutschland, Ruanda und Brasilien getestet. Die Tests umfassten eine empirische Studie zum Lernzuwachs, die in naher Zukunft in meiner Dissertation veröffentlich wird.
In der zweiten, jetzt laufenden Projektphase werden Apps für Browser und iPad entwickelt, die hauptsächlich auf die Kompetenzen Orientierung und Kartenverständnis abzielen. Der Prototyp der nativen iPad-App Ori-Gami (von orientation gaming) wurde kürzlich zum ersten Mal intensiv mit 13 Schülern im Alter zwischen 10 und 11 Jahren auf ihre Bedienbarkeit (Usability) getestet. Worum geht’s? Bei der App befolgen die Schüler im Realraum Weganweisungen, die mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden eine vorgeplante Route beschreiben. Dabei werden Straßennamen, Kreuzungen, Landmarken, aber auch Windrichtungen und Entfernungsangaben eingebunden. Wir messen, wie gut sie das können und fertigen Statistiken an.
Mit Ori-Gami die Orientierungsfähigkeit testen |
Im nächsten Schritt wird vor allem ein Routeneditor entwickelt, mit dem Lehrer Routen halbautomatisiert vorbereiten können, die über ArcGIS for Server allen Schülern zur Verfügung stehen werden. Die App wird nach Prinzipien des „Game-based-Learning“ und unter speziellen Usability-Anforderungen entwickelt. Besonders positiv wurde von den Schülern das direkte Feedback bei der Orientierung und Navigation bewertet, z. B. wechselt ein anfangs roter “Smiley” in die Farbe grün, mit zunehmenden Lächeln – natürlich nur, wenn man sich auf dem richtigen Weg befindet.
Gestern und morgen
Als wir 2006 angefangen hatten, sah die Welt noch anders aus. Die Themen GIS und Geoinformatik wurden noch sehr wenig in Schulen behandelt und wenn, dann selten mit nachhaltigem Erfolg. Wir haben durch die rasanten technologischen Neuerungen in den Bereichen Soft- und Hardware nun die Möglichkeit, GIS und Geoinformatik an den Schulen nachhaltig zu verankern – und das in einer Vielzahl von Fächern und auch fächerübergreifend. Es gibt eine Fülle von Angeboten und Möglichkeiten, die didaktisch überprüft und in Richtung Anwendbarkeit und Bedienbarkeit untersucht und weiterentwickelt werden müssen. Mit ArcGIS Online ist Esri einen großen Schritt voraus in eine neue Lernumgebung für Geoinformation gegangen. So können Methoden und Werkzeuge aus dem GIS-Bereich einer breiten Nutzergruppe aus Schülern und Lehrern zur Verfügung gestellt werden – und das ohne großen Einarbeitungsbedarf und mit vielen Möglichkeiten, eigene Daten einzubinden. Wir bleiben dran am Thema GIS und Geoinformatik in der Bildung(sforschung) und freuen uns auf Feedback.
– veröffentlicht von Grischa Gundelsweiler, Education Manager