Naturgefahren haben weitreichende Auswirkungen auf das Verkehrswesen. Was man dagegen tun kann, verrät Kristina Wolf. Die Forscherin war für ein Forschungssemester an der japanischen Tohoku Universität tätig und setzt auf GIS-basierte Gefahrenkarten.
Vor den Küsten der japanischen Stadt Sendai ereignete sich am 11. März 2011 Japans bisher stärkstes Erdbeben. Die Folgen sind bekannt: Die damit einhergehende Erdbebenserie löste einen verheerenden Tsunami aus, führte zur Atomkatastrophe von Fukushima und zerstörte weite Teile der Küstenregion. Unzählige Menschen verloren ihr Leben.
Acht Jahre später ist Kristina Wolf im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes an der Tohoku Universität der Stadt Sendai. An der Graduation School of Information Sciences im Bereich Transportation & GIS untersucht sie die Auswirkungen von Naturgefahren auf das Verkehrswesen. Während ihres Aufenthalts entwickelt sie eine Gefahrenkarte, die eine kooperative und effektive Katastrophenabwehr ermöglicht. In unserem Q&A antwortet Kristina auf die Fragen, die sie bei ihrer Forschung leiten:
Welche geografischen Besonderheiten zeichnen Japan aus?
Aufgrund seiner geografischen und geologischen Umgebung ist Japan besonders anfällig für viele Naturkatastrophen, darunter Erdbeben, Tsunamis und starke Regenfälle. Immer wieder kosten Naturkatastrophen viele Menschenleben und verursachen enorme wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Schäden. Obwohl Japan über Katastrophenschutzpläne verfügt und im Allgemeinen gut auf einen Notfall vorbereitet ist, führten starke Regenfälle auf Shikoku, der kleinsten der vier Hauptinseln, im Sommer 2018 zur schlimmsten regenbedingten Katastrophe der Nation seit über zwei Jahrzehnten.
Wie verbessern dynamische Information in Gefahrenkarten die Sicherheit?
Die derzeit verfügbaren Gefahrenkarten betrachten in der Regel einen Analysebereich bzw. eine Naturgefahr und enthalten meist ausschließlich statische Informationen, z.B. historische Niederschläge, Erdbeben, Tsunamis, Höhenprofile oder Infrastrukturdaten. Zusätzlich bergen Gefahrenkarten die Schwierigkeit, Gefahrengebiete eindeutig abzugrenzen.
Um die Einwohner Shikokus noch besser auf Notfallsituationen vorzubereiten, ist es ratsam, statische Daten um dynamische Faktoren, wie z.B. aktuelle Wetterlage und Verkehrsinformationen, zu erweitern und somit eine umfassendere Analyse der aktuellen Gefahrensituation zu ermöglichen.
Wie helfen Sondenfahrzeuge bei der Analyse der Verkehrssituation?
Die Besonderheit stellen dynamische Daten der Sondenfahrzeuge dar, die über GPS-Geräte Informationen zur aktuellen Position, Geschwindigkeit, Datum- und Zeit senden.
Welche Rolle spielt GIS-Technologie bei der Erstellung von Gefahrenkarten und im Verkehrswesen?
Die GIS-basierte Analyse aller dynamischer und statischer Daten hilft Entscheidungsträgern, Hochrisikogebiete und gefährdete Gemeinschaften im Voraus zu analysieren. Eine eventuell notwendige Evakuierung kann dadurch schneller eingeleitet und effizienter durchgeführt werden.
Wetter und Testfahrzeugdaten ergänzen herkömmliche Gefahrenkarten um dynamische Zeitreihenwerte und erweitern somit die Analysemöglichkeiten. Die Verkehrsinformationen sind im Katastrophenfall umso wichtiger, da es zu unerwarteten Ereignissen kommen kann, die den regulären Verkehrsfluss behindern können.
Mit Bezug auf die Katastrophe auf Shikoku im Juli 2018 zeigen die Testfahrzeuge an, wo sich Menschen während des Starkregens bewegt haben.
Für Verkehrsmanager sind historische Verkehrstrends sowie typische Reisezeiten und die Entfernungen zwischen den wichtigsten Punkten an regulären Tagen und an Tagen, die von Katastrophen betroffen sind, von großem Interesse. Anhand dieser Vergleiche können Verkehrsleiter das Reiseverhalten unter dem Einfluss von Naturgefahren besser verstehen. Auf Verkehrsprobleme, die auf z.B. einen starkregen-bedingten Erdrutsch zurückzuführen sind, können Behörden besser vorbereitet sein und somit die Verkehrssicherheit erhöhen.
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