Für ihre Studienarbeit zum Thema Wayfinding erhielt Lisa Stähli 2017 den Student Award des Esri Developer Center (EDC) – und ein Flugticket zur Esri User Conference nach San Diego. Ihr eigener Weg führte sie von der ETH ins Esri Research and Development Center Zürich. Im Interview blickt Lisa auf ereignisreiche zwei Jahre zurück – und gibt Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte des R&D Center.
Lisa, das Jahr 2017 war der Startschuss für Deine GIS-Karriere. Was ist seither passiert?
Ich habe meine Masterarbeit zum Thema ‚Web-basierte 3D-Visualisierungen für Turbulenzbereiche im Flugverkehr‘ abgegeben und an der ETH meinen Master in Geomatik abgeschlossen. Außerdem war ich ein zweites Mal auf der Esri User Conference in San Diego – diesmal jedoch nicht als Studentin, sondern als Esri Mitarbeiterin.
Nach meinem Praktikum beim Esri R&D Center in Zürich im Jahr 2017 konnte ich dort in Teilzeit weiterarbeiten. Seit meinem Master-Abschluss 2018 bin ich in Vollzeit als Software Entwicklerin angestellt.
Für Deine Studienarbeit zum Thema Wayfinding hast Du 2017 den EDC Award erhalten. Um was genau ging es in Deiner Arbeit?
Ich habe verschiedene Fußgänger-Navigationssysteme miteinander verglichen – und im Hinblick auf technologische Entwicklungen im Bereich Internet of Things (IoT) und Smart City untersucht. Ich habe analysiert, wie die Vernetzung aller Elemente des öffentlichen Raums die Navigation vereinfachen kann.
Konkret habe ich vier verschiedene Systeme miteinander verglichen: Die herkömmliche kartenbasierte Navigation, ein landmarken-basiertes System, eine Augmented-Reality-Methode und ein System basierend auf öffentlichen Bildschirmen. Den letzten Ansatz gibt es noch nicht, weshalb er für die Untersuchung besonders interessant war. Ich wollte herausfinden, mit welchem System man am sich effizientesten und benutzerfreundlichsten in der Stadt zurechtfindet.
Lisa Stähli arbeitet als Software Entwicklerin im Esri R&D Center Zürich an Lösungen für die Stadtplanung der Zukunft.
Und wie fällt Dein Fazit aus?
Am besten abgeschnitten hat die Augmented-Reality-Methode, jedoch hat die Bildschirm-basierte Navigation viel Potenzial gezeigt und hat beispielsweise besser abgeschnitten als die kartenbasierte Navigation.
Welche Vorteile bietet ein Navigationssystem, das öffentliche Bildschirme nutzt?
Lässt man sich vom Smartphone den Weg zeigen, läuft man Gefahr, mit gesenktem Blick in den Straßenverkehr zu laufen. Zum anderen ist eine schematische 2D-Karte nicht intuitiv. In einer realen 3D-Umgebung ist es daher sicherer und bequemer, öffentliche Bildschirme zu nutzen.
Sobald man mit seinem Smartphone in die Nähe einer Kreuzung kommt, bekommt man seine Route auf einem Bildschirm angezeigt. In diesem Szenario wird natürlich davon ausgegangen, dass wir bald von viel mehr Bildschirmen umgeben sind. Die Hoffnung ist, dass diese Bildschirme künftig nicht nur Werbung anzeigen, sondern auch Verkehrsinformationen oder Navigationsinstruktionen.
Als EDC Student of the year warst Du in San Diego: Welche Erfahrungen hast Du auf der Esri User Conference gemacht?
Meine erste Esri UC war ein bereicherndes Erlebnis. Ich habe viele inspirierende Personen kennengelernt, vor allem im Netzwerk von EDC und Esri Young Scholars. Auf der UC gibt es eine Vielzahl an Präsentationen zu sehen, die von konkreten Anwendungen bis zu technischen Demos reichen. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt bereits viel über Esri Software wusste – oder das zumindest annahm -, habe ich erst vor Ort realisiert, was es eigentlich alles gibt.
Hattest Du genug Zeit, Dich vor Ort mit anderen Anwendern und Entwicklern austauschen?
Auf jeden Fall. Neben den Vorträgen und der Messe habe ich die sozialen Events genossen, wo man sich mit anderen über Projekte austauschen kann. Der Ausflug nach San Diego war für mich die Bestätigung, dass ich mir den richtigen Bereich für mein Studium und den richtigen Beruf ausgesucht habe. Die Vielfalt überrascht mich noch heute immer wieder.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, an der weltweit größten GIS-Konferenz teilzunehmen – abgesehen von der Bewerbung um den EDC Award?
Ja, zum Beispiel als Young Scholar. Viele Esri Distributoren, darunter auch Esri Deutschland oder Esri Schweiz, vergeben jedes Jahr den Young Scholar Award. Die Gewinner kommen dann in San Diego zusammen.
Oder man bewirbt sich als studentische Hilfskraft – und unterstützt so das Messe-Team vor Ort. Das beinhaltet natürlich ein wenig Arbeitszeit, aber man bekommt spannende Einblicke.
Heute bist Du Software-Entwicklerin im Esri R&D Center in Zürich. Woran arbeitest Du derzeit?
Mit meinem Team arbeiten wir derzeit an unserem neuen Produkt: ArcGIS Urban. Das 3D-Webtool basiert auf bereits existierender Esri Technologie und erlaubt es Stadtplanern schnell und einfach, verschiedene Zukunftsszenarien für urbane Gebiete zu entwickeln, zu vergleichen und der Bevölkerung zu präsentieren.
3D-Szenarien visualisieren, wie bauliche Maßnahmen im Kontext der Umgebung aussehen, und stellen, je nach Szenario, Indikatoren wie die Anzahl benötigter Wohnungen oder Arbeitsplätze bereit. Dabei arbeiten wir eng mit anderen Teams im R&D Center zusammen, z.B. mit dem JavaScript API Team, das uns die Basis für die Visualisierung der 3D-Daten liefert, oder mit dem CityEngine Team, das Algorithmen für die prozedurale Modellierung der 3D-Gebäude entwickelt.
Daten und Algorithmen als Grundlagen für die Stadtentwicklung von morgen?
Es geht noch weiter. Eines unserer Projekte befasst sich mit der parametrischen Generierung von Gebäuden auf der Basis von Deep Learning. Das ist besonders spannend, wenn es beispielsweise um die erlaubten Zonenregulierungen – zum Beispiel Gebäudehöhe und Ausnutzungsdichte – und deren Einfluss auf die Dimension und Form von Gebäuden auf einer Parzelle geht. Wir haben auch ein Virtual Reality-Team, das an neuen Partizipationsverfahren in der Stadtentwicklung arbeitet.
Wie visuelle Werkzeuge Städten und Regionen helfen, transparente Entscheidungen zu treffen und die Bürger zu beteiligen, lesen Sie im kostenfreien E-Book.
Ist das Thema Stadtplanung ein Kernthema des Esri R&D Center in Zürich?
Das R&D Center, das aus dem ETH Spin-Off Procedural Inc. entstanden ist und heute circa 50 Personen umfasst, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr dem Thema Stadtplanung verschrieben. Unser ganzes Team arbeitet daran, Stadtplanung zu revolutionieren – und das nicht nur aus Sicht der Planer, sondern auch im Hinblick auf die Bevölkerung. Mehr Transparenz und Mitwirkung sind der Schlüssel zu lebenswerten Städten – heute und vor allem in Zukunft.
Wir leben im Zeitalter des Internet of Things – Warum lohnt es sich gerade jetzt, auf GIS zu setzen?
Geoinformationssysteme sind allgegenwertig. Wir alle tragen sie mit unseren Smartphones jeden Tag mit uns herum und konsumieren den ganzen Tag Geodaten – sei es für die Navigation, die Routenplanung, um die Ferien zu buchen oder um das nächste Restaurant zu finden. Ein Großteil unserer Entscheidungen hat einen Raumbezug. Umso wichtiger werden daher die richtigen Analysewerkzeuge.
Gerade durch die Entwicklungen im IoT-Bereich werden Entscheidungen komplexer, alles ist schneller erreichbar, nicht nur Orte, sondern auch Wissen, Kontakte und Erlebnisse. IoT und GIS sind untrennbar miteinander verknüpft, denn jedes Ding hat immer auch einen Standort, der für Analysen in Betracht gezogen werden kann.
Weißt Du schon, was als Nächstes ansteht? Wie geht Deine persönliche GIS-Reise weiter?
Wir sind im Endspurt zur Finalisierung von ArcGIS Urban, das im Sommer den ersten Release hat. Ich bin gespannt, wie das Produkt von Nutzern aufgenommen wird. Im Sommer reise ich auch wieder zur Esri User Conference, wo ich ArcGIS Urban vorstellen werde. Natürlich freue ich mich auch darauf, die neuen Young Scholars kennenzulernen.
Das Interview führte: Denis Heuring