Gastbeitrag von Stéphanie Wismer:
Für meine Masterarbeit fühlte ich den Puls bei den Geografielehrpersonen an Schweizer Gymnasien. Ich wollte unter anderem wissen, wie verbreitet GIS im Unterricht ist und welche Faktoren den Einsatz von GIS beeinflussen. Die Resultate der Umfrage bildeten die Basis für eine von mir konzipierte Unterrichtseinheit.
Geografische Informationssysteme (GIS) werden sowohl für die berufliche als auch für die private Nutzung immer wichtiger. Ausserdem kommen Smartphone-Nutzer*innen durch Navigationsanwendungen und soziale Medien meist täglich mit GIS in Kontakt und werden selbst Produzierende geografischer Information. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es wichtig, GIS als Bestandteil der geografischen Bildung anzuerkennen.
Im Rahmen meiner Masterarbeit «Der Einsatz von GIS zur Datenvisualisierung und -analyse im Geografieunterricht an Schweizer Gymnasien» führte ich eine schweizweite Umfrage zu Vor- und Nachteilen von GIS sowie der Verbreitung des GIS-Einsatzes im Geografieunterricht durch. Auf Basis der Umfrage entwickelte ich zudem eine Unterrichtseinheit, die sich an den Bedürfnissen der Lehrpersonen orientiert.
Forschungsfragen und Methodik
Die folgenden Forschungsfragen beziehen sich jeweils auf den Geografieunterricht an Schweizer Gymnasien:
- Wie wird GIS derzeit für die Datenvisualisierung und -analyse eingesetzt?
- Welche externen und internen Faktoren beeinflussen den Einsatz von GIS im Unterricht?
- Wie können Lehrpersonen beim Einsatz von GIS unterstützt werden?
Zur Beantwortung der Forschungsfragen führte ich eine Umfrage bei Geografielehrpersonen an Schweizer Gymnasien durch. Die folgenden Resultate basieren auf 141 vollständig ausgefüllten Fragebogen.
Einsatz von GIS an Schweizer Gymnasien
Insgesamt 50.7 Prozent der Teilnehmenden setzen GIS im Unterricht ein – am ehesten in den Kantonen St. Gallen, Neuchâtel und Zürich (Abbildung 1).
Laut der Umfrage kommt GIS bei der Vermittlung von Inhalten aus der Human- und der physischen Geografie zum Einsatz. Besonders gut scheint sich GIS für interdisziplinäre Themen mit starker räumlicher Komponente zu eignen. Wichtig war den Befragten auch die Kombination mit anderen lehrplanrelevanten Themen.
Die am weitesten verbreitete GIS-Software an Schweizer Gymnasien ist ArcGIS Online. 75 Prozent der Lehrpersonen setzen sie ein. 31.1 Prozent nutzen andere Produkte wie map.geo.admin.ch und kantonale GIS, und weniger als 15 Prozent verwenden Desktop GIS wie zum Beispiel ArcGIS Pro oder QGIS. Web-GIS-Lösungen sind also für den Einsatz im Unterricht deutlich beliebter.
“75 Prozent der Lehrpersonen setzen ArcGIS Online ein.”
Stéphanie Wismer in ihrer Masterarbeit
Nur 27 Prozent der Lehrpersonen, die GIS einsetzen, greifen auf bestehendes Material zurück. Über 75 Prozent erstellen Ihre Unterlagen selber. Das könnte verschiedene Gründe haben: Sie wissen nicht, wo sie bereits vorhandenes Unterrichtsmaterial beziehen können. Vielleicht gibt es auch zu wenig Unterlagen, oder sie sind nicht auf die Bedürfnisse der Anwender*innen zugeschnitten.
Nutzung von GIS: externe Faktoren und…
Die Korrelation der Umfrageresultate überprüfte ich mit dem exakten Fisher-Test. Bei den externen Faktoren besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Einsatz von GIS im Unterricht und
- der Erwähnung von GIS im Lehrplan,
- der Bereitstellung von GIS-Software durch die Schule und
- ob Geografie das erste Unterrichtsfach einer Lehrperson ist.
Diese Faktoren können also den Einsatz von GIS positiv beeinflussen. Kein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht zwischen dem Einsatz von GIS und
- der Berufserfahrung einer Lehrperson,
- dem Alter einer Lehrperson und
- ob GIS Teil des Studiums einer Lehrperson war.
… interne Faktoren
Die internen Faktoren ermittelte ich anhand der Zustimmung der Lehrpersonen zu verschiedenen Aussagen. Abbildung 2 zeigt den Vergleich zwischen der durchschnittlichen Zustimmung von GIS-Nutzer:innen und von Lehrpersonen, die GIS nicht verwenden.
Bei den internen Faktoren gibt es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Einsatz von GIS im Unterricht und
- den Kenntnissen einer Lehrperson über die neusten GIS-Technologien sowie deren Einsatzmöglichkeiten im Unterricht,
- ihrem Wissen um die Verfügbarkeit von Unterrichtsmaterialien und
- ihrer Überzeugung, dass GIS ein wichtiger Teil des Geografieunterrichts ist und Schüler*innen die Grundlagen von Geodaten lernen sollen.
Nimmt man den Zustimmungsgrad als Basis, kann man davon ausgehen, dass diese Faktoren positiv mit dem Einsatz von GIS im Unterricht zusammenhängen. Keinen Einfluss auf den Einsatz von GIS im Unterricht haben die folgenden internen Faktoren:
- Die Wahrnehmung, dass genug Zeit zur Verfügung steht.
- Die Überzeugung, dass GIS das räumliche Denken der Schüler*innen fördert.
- Die Überzeugung, dass Datenvisualisierung und -analyse ein wichtiger Teil der Geografie ist – und dass GIS das Lehren dieser Kompetenzen vereinfacht.
Möglichkeiten zur Unterstützung von Lehrpersonen
Zusätzliche Materialien, persönliche Weiterbildung und Änderungen am Lehrplan: Das sind die wichtigsten Bedürfnisse der Lehrpersonen, damit sie GIS vermehrt in den Schulalltag integrieren können.
Über 50 Prozent der Befragten haben Interesse an zusätzlichem Unterrichtsmaterial mit folgenden Eckpunkten:
- zeitsparend und langfristig einsetzbar
- mit Bezug auf andere Lehrplaninhalte
- Berücksichtigung der Heterogenität der Schüler*innen
- Differenzierbarkeit
- verfügbar mit passenden Daten
- mit Lehrpersonen-Kommentar zur Unterstützung bei Einarbeitung und Durchführung
Mehr als 40 Prozent interessieren sich für persönliche Weiterbildung. Das kann extern geführte Fortbildung oder zusätzliche Zeit zur selbständigen Weiterbildung sowie zur Erstellung von Unterrichtsmaterial sein.
“Über 50 Prozent der Befragten wünschen sich zusätzliches Unterrichtsmaterial.”
Stéphanie Wismer in ihrer Masterarbeit
Konzipierung einer Unterrichtseinheit für Lehrpersonen
Da die meisten Lehrpersonen an Unterrichtsmaterial interessiert sind, konzipierte ich eine Unterrichtseinheit auf Basis ihrer Wünsche. Sie besteht aus zwei individuellen Modulen.
Modul 1: Einführung in GIS (Dauer: 20 Minuten)
Das Modul vermittelt kurz und knapp, was ein GIS ist, wofür es eingesetzt wird und was Geodaten sind. Es eignet sich als Einstieg vor dem Einsatz von GIS.
Modul 2: Übungseinheit (Dauer: ca. zwei Lektionen)
Die Schüler*innen erarbeiten den Inhalt selbstständig mithilfe einer Anleitung. Ziel ist die Klassifizierung aller Schweizer Gemeinden («urban», «suburban» oder «rural») mit ArcGIS Online anhand von Datensätzen zu Einwohnerzahl, Bevölkerungsdichte und Dichte des öffentlichen Verkehrs. Die Lernenden interpretieren ihre Resultate und gleichen sie mit der Klassifizierung des Bundesamtes für Statistik ab.
Fazit
Der Einsatz von GIS an Schweizer Gymnasien ist noch ausbaufähig, obwohl bereits die Hälfte der Lehrpersonen damit arbeitet. Um die Nutzung von GIS voranzutreiben, braucht es zusätzliche, auf die Bedürfnisse der Lehrpersonen abgestimmte Unterrichtsmaterialien. Zudem müssen die Lehrkräfte besser darüber informiert werden, wo sie die verfügbaren Ressourcen finden. Denn es gibt online bereits eine Fülle von Unterrichtsmaterial.
Ausserdem kann eine Sensibilisierung der Lehrpersonen für die Bedeutung von GIS zu verstärkter Nutzung führen. Dies könnte durch Fortbildungsmöglichkeiten und durch die Verankerung von GIS im Lehrplan erreicht werden – was sich nachweislich positiv auf die Nutzung von GIS auswirken kann.
Tipp des Esri Schulteams: GIS im Unterricht – Ressourcen von Esri
Das Esri Schulprogramm unterstützt Lehrpersonen mit kostenfreier Software und interaktiven, einfach zu bedienenden und sofort verwendbaren Unterrichtsmaterialien. Einzige Voraussetzung ist ein kostenfreier Esri Schulaccount.
Wir empfehlen zum Beispiel:
- Booklet “Entdecke die Welt” für den Einstieg in GIS
- Mehrere Unterrichtseinheiten, u. a. zum Thema «Analyse»
- Englischsprachiges Material für bilingualen Geo-Unterricht vom Esri UK Schulteam
Wer noch keinen Esri Schulaccount besitzt, registriert sich am besten gleich. Wir bearbeiten die Anfrage und schalten den Zugang frei.
Über die Gastautorin
Stéphanie Wismer studierte Geografie und Informatik an der Universität Zürich. Nebenbei hat sie mit dem Lehrerdiplom für Maturitätsschulen begonnen und als GIS-Analyst bei Swarovski gearbeitet. Nach ihrem Master wird sie als Informatiklehrperson an der Kantonsschule Küsnacht tätig sein.