„Künstliche Intelligenz für Erdbeobachtung“: Das Thema beschäftigt Fachleute weltweit. Esri Senior Scientist Dr. Melanie Brandmeier forscht unter anderem zur automatisierten Erfassung von Sturmschäden im Wald. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt. Die Antworten? Absolut lesenswert und sehr informativ!
Das Thema in diesem Blogbeitrag: „Automatisierte Erkennung von Sturmschäden im Wald mithilfe von CNN in Verbindung mit GIS.“ Was ist gemeint? Wie das geht? Esri Senior Scientist Dr. Melanie Brandmeier hat zu dem Thema zwei öffentlich zugängliche Paper mitverfasst. Sie erklärt uns, was sie da erforscht. Tipp: Wir haben einzelne Fachbegriffe mit weiterführenden Links versehen. Just in case…
Melanie, um was geht es im Paper?
Das Paper ist eine Fortführung unserer Forschung zur automatisierten Sturmschadenserfassung im Wald anhand von Luftbildern und PlanetScope Satellitendaten mittels Deep Learning Algorithmen.
Wir fokussieren auf die Optimierung und Entwicklung von Architekturen, welche mit dieser Art von Bilddaten gute Ergebnisse erzielen. Das ist notwendig, da die meisten Algorithmen ursprünglich aus dem Bereich Computer Vision kommen und für “normale” Bilder entwickelt wurden.
Die Integration von KI-Algorithmen in die ArcGIS Plattform soll den gesamten Ablauf des Schadensmanagements abbilden, von der automatischen Detektion über eine Schadensabschätzung bis hin zur mobilen Datenaufnahme im Gelände.
Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Wir konnten prototypisch eine sehr gute Lösung für die Schadenserkennung in einem Untersuchungsgebiet in Bayern aufzeigen. Sie basiert auf einer modifizierten U-Net Architektur, einem sogenannten Convolutional Neural Network (CNN). Die Genauigkeit liegt bei einer Intersection over Union (IoU) von 0.73.
Hinweis: IoU – auch bekannt als Jaccard Index – ist ein Maß für die Ähnlichkeit der Vorhersage mit der tatsächlichen Schadfläche und nimmt Werte von 1 (perfekte Übereinstimmung) bis 0 (keine Übereinstimmung) an.
Wir haben zudem getestet, wie gut die Netzwerke generalisieren, d.h. in einem anderen Gebiet Schadflächen erkennen können. Diese Übertragbarkeit ist ein sehr wichtiges Problem und eine große Herausforderung in der Fernerkundung. KI-Algorithmen, welche große Datenmengen nutzen, sind hier potenziell klassischen Methoden überlegen.
In unserem Fall haben wir für die Satellitendaten passable Ergebnisse erzielt. Allerdings haben sich sowohl die Waldstruktur als auch die räumliche Auflösung der Satellitendaten im zweiten Gebiet stark von dem Hauptstudiengebiet unterschieden. Hier könnten wir noch deutlich bessere Ergebnisse erzielen, wenn wir mehr und vielfältigere Daten zum Training der Algorithmen hätten.
Gab/gibt es Herausforderungen/Schwierigkeiten? In welchem Bereich?
Auf jeden Fall. Das betrifft jedoch nicht nur diese Studie, sondern generell die Nutzung von KI im Bereich der Fernerkundung. Einerseits sind sehr große Datenmengen notwendig, um die Algorithmen gut zu trainieren. Grenzen setzen hier meist die Anzahl und die Qualität der verfügbaren Label, in diesem Fall der bereits kartierten Schadflächen.
Andererseits ist für das Training auch sehr viel Rechenleistung notwendig. Die Prozessierung wird auf dem Grafikspeicher (GPU) gerechnet.
Deshalb ist es sinnvoll, dies in einer Cloud/Server-Umgebung mit mehreren GPUs durchzuführen. Daneben benötigt man sehr viel SSD Speicher und RAM. Wir haben am Leibniz Rechenzentrum gerechnet und sind dabei schnell an Grenzen gestoßen. Bei Lösungen für GPU Rechenleistungen wie Amazon oder Azure steigen die Kosten sehr schnell. Das ist zum Beispiel für Behörden natürlich noch eine Hemmschwelle.
Was bringt die Zukunft?
Die Entwicklung in Algorithmik und Hardware geht mit riesigen Schritten voran. Ich bin zuversichtlich, dass wir nicht nur in der Erdbeobachtung, sondern auch in vielen anderen Bereichen sehr viele neue Lösungen sehen werden – und auch schon sehen. Man denke nur an automatische Spracherkennung oder Sprachübersetzung, welche auf ähnlichen Algorithmen basieren.
Im Bereich der Fernerkundung können wir aufgrund der frei verfügbaren Daten aus den unterschiedlichen Erdbeobachtungsprogrammen (z.B. die Sentinels der ESA) und der Vielzahl neuer KI-Ansätze die Veränderungen auf unserem Planeten in einer noch nie da gewesenen Genauigkeit und zeitlichen Auflösung beobachten und analysieren.
Die Integration von KI in die ArcGIS Plattform ermöglicht die Nutzung der Methoden ohne Entwickler-Know-how, da inzwischen viele Modelle in graphische Nutzeroberflächen integriert sind. Ich sehe darin viele neue Anwendungen und vereinfachte Prozesse in unterschiedlichen Bereichen der Industrie und der Behörden.
Vertiefung gefällig? Hier geht’s zum vollständigen Paper.