Drive-Time Analyse für Automobile in München |
Wir klettern nach dem letzten Blogpost nun noch eine Stufe höher in der Verwendung von OpenStreetMap (OSM) in ArcGIS. Auf Basis der Straßen- und Wegeinformationen aus OSM können individuelle Netzwerke erstellt und mit Hilfe des Network Analysts verschiedenste Analysen darauf ausgeführt werden. Zunächst jedoch erkläre ich, welche Rolle Netzwerke und deren Analyse in GIS spielen, und wie überhaupt die Idee entstand, OSM als Datengrundlage für Straßennetze zu nutzen.
Netzwerke in GIS
Die Analyse von Netzwerken gehört zu den zentralen Anwendungen von Geoinformationssystemen. In ArcGIS wird zwischen geometrischen Netzwerken und Verkehrsnetzwerken unterschieden.
Mit geometrischen Netzwerken lassen sich unterschiedlichste Netze und Infrastruktureinrichtungen aus der realen Welt modellieren und analysieren. Dazu gehören Wasserversorgungs-, Strom-, Gas- und Telefonleitungen oder Wasserläufe. Ein geometrisches Netzwerk umfasst eine Gruppe von verbundenen Kanten und Knoten sowie Konnektivitätsregeln, mit denen das Verhalten einheitlicher Netzwerkinfrastruktur in der Realität dargestellt und modelliert werden kann. Es ist ein Beispiel für ein System mit gerichtetem Fluss, in dem jede Kante über eine feste Flussrichtung verfügt und dabei eine einzelne Ressource transportiert wird.
In diesem Blogpost geht es aber um eine weitere Kategorie von Netzwerken: Verkehrsnetzwerke. Mit ihnen werden beispielsweise Straßen-, Fußweg- oder Eisenbahnnetze modelliert. Das Netz besteht aus Kanten (z. B. Straßen) und Knoten (z. B. Kreuzungen oder Haltestellen), denen Eigenschaften zugewiesen werden, die je nach Aufgabenstellung in Analysen einbezogen werden können. Verkehrsnetzwerke sind in der Regel ungerichtet – d.h., die Bewegung entlang von Kanten ist in beide Richtungen möglich. Genauso lassen sich in komplexeren Verbindungsszenarien auch multimodale Verkehrsnetze abbilden. Die dritte Dimension kann ebenfalls mit einbezogen werden, z. B. für das Routing innnerhalb von Gebäuden. In ArcGIS ist die Basis immer ein Network Dataset, auf dem verschiedene Solver zur Analyse mit dem Network Analyst ausgeführt werden können.
Network Analyst Solver |
Geeignete Netzwerkdaten
GIS dient also der Dokumentation, Planung, Analyse und Optimierung von Netzwerken, basierend auf eigenen Daten oder von verschiedenen Anbietern (z. B. Esri StreetMap Premium, NAVTEQ, TomTom). Es gilt diverse Punkte zu berücksichtigen, um an geeignete Daten für die Nutzung im GIS zu kommen:
- Aufwand für die Anpassung
- geeignete Attributierung
- geographische Abdeckung
- Vollständigkeit
- angebotene Formate
- Möglichkeiten zur Editierung
- Kosten
Kommerzielle Daten werden immer wieder in Forschungsprojekten an Hochschulen eingesetzt, allerdings spielen sie für die Lehre aufgrund recht hoher Kosten bislang noch kaum eine Rolle. Natürlich können viele Funktionen bereits als Geoservices genutzt werden, z. B. Routing, Drive-Time Analyse oder auch Geokodierung – damit entfällt eine lokale Datenhaltung. Allerdings gibt es hier momentan noch einige Begrenzungen, was Funktionalität und Nutzung betrifft.
Um dem Thema Netzwerke und deren Analyse mit GIS in Lehre und Forschung einen weiteren Schub zu geben, entstand die Idee, OSM als Datenbasis zu verwenden. Die manuelle Anpassung der OSM-Daten, um ein Netz zu genieren und im GIS zu nutzen, ist relativ aufwändig. Deshalb sollte möglichst eine automatisierte Lösung geschaffen werden, um die Daten zu konvertieren. Da die Daten zum Teil unvollständig sind und das Tagging uneinheitlich, ist eine Prüfung und Ergänzung der Attributierung notwendig. Bei unterschiedlichem Detailgrad bietet OSM eine weltweite Abdeckung. Ziel sollte also sein, verschiedene Länder und Regionen konvertieren zu können und dabei lokale Besonderheiten wie Verkehrsregeln zu beachten. Daten aus OSM werden in verschiedenen GIS-kompatiblen Formaten angeboten, was die Verarbeitung vereinfacht. Die offene Lizenz von OSM ermöglicht es zudem, dass die Daten editiert und verändert werden – mit Hilfe existierender Editoren oder einem eigenen Workflow. Dabei können die Ergebnisse intern genutzt oder Dritten unter den selben Bedingungen wieder bereitgestellt werden. Die Nutzung der Daten ist kostenlos, was sie natürlich attraktiv macht für allerlei Experimente.
OSM2NetworkDataset
Eva Peters entwickelte in ihrer Bachelorarbeit mit osm2nds die passende Anwendung, die über 52° North als Open Source Software heruntergeladen, genutzt und weiterentwickelt werden kann. Das Tool ermöglicht die Konvertierung von OSM-XML-Dateien in das Esri Network Dataset Format, das die Grundlage für Netzwerkanalysen in ArcGIS bildet. Die Parameter für die Konvertierung können selbst gewählt werden, so dass Netze für Fußgänger, Rad- oder Autofahrer für verschiedene Länder und Regionen erzeugt werden können. Die Software wurde in den verschiedenen Versionsstufen bisher über 1.000 mal heruntergeladen und es gibt diverse Erfahrungsberichte, beispielsweise bei Tereshenkov’s Blog.
Download und ausführliche Beschreibung von osm2nds bei 52°N |
In der OSM Gruppe auf ArcGIS Online haben wir zudem schon einige Ergebnisse gesammelt. Jeder kann hier Daten und Analysen bereitstellen und herunterladen.
OSM Layer und Map Packages auf ArcGIS Online |
OSM ist bei Esri auch weiterhin auf der Agenda, und die Integration wird durch die Verbesserung bestehender und Entwicklung neuer Tools in Zukunft noch besser werden. Die Möglichkeit, Network Datasets auf Basis von OSM zu erzeugen, wird z. B. in den ArcGIS Editor for OpenStreetMap, Version 2.1 integriert. Damit lassen sich auch größere Netze erzeugen als bisher mit osm2nds möglich (hier sind momentan noch Grenzen gesetzt, da die Daten für die Konvertierung komplett in den Arbeitsspeicher eingelesen werden).
Netzwerke und deren Analyse im GIS zeigen, welches Potenzial in OSM steckt. Für Studierende, Wissenschaftler und Dozenten bieten sich damit eine Reihe von Möglichkeiten für innovative Anwendungen und Projekte.
– Grischa Gundelsweiler, Education Manager