Aufbereitung von Echtzeitdaten zu Einsatzmitteln mit der ArcGIS GeoEvent Extension for Server
Unser heutiger Gastbeitrag stammt von Sebastian Drost, Student im Studiengang Geoinformatik am Esri Development Center (EDC) der Hochschule Bochum. Im Rahmen seiner Bachelor-Thesis hat er für die Feuerwehr Duisburg ein mobiles Lagedarstellungssystem (MoLas) unter Einsatz der ArcGIS GeoEvent Extension entwickelt. Für seine Arbeit wurde er von der Hochschule Bochum als EDC Student of the Year 2016 ausgezeichnet.
Zielvorgaben
Mobile Anwendungen werden bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) bisher selten eingesetzt, obwohl es hierfür viele Anwendungsfälle gibt. Ziel meiner Bachelorarbeit war es daher, für die Feuerwehr Duisburg eine mobile Kartenanwendung zu entwickeln, um bisher genutzte Hilfsmittel bei der Einsatzführung zu ersetzen. Der Fokus lag dabei auf der Realisierung wesentlicher Funktionen des Taktischen Arbeitsblattes und der Taktischen Arbeitstafel, die als mobile Führungsmittel eingesetzt werden. Beide ermöglichen die Erfassung und Visualisierung einsatzrelevanter Informationen und unterstützen den Einsatzleiter bei der Erfüllung von Routineaufgaben. Die zu entwickelnde mobile Kartenanwendung sollte folgende Funktionen abbilden:
- Visualisierung wichtiger Einsatzinformationen:
- Einsatznummer sowie Einsatzstichworte
- Adresse und Koordinaten des Einsatzorts
- Zeitpunkt der Alarmierung
- Alarmierte Einsatzmittel
- Anfertigen eines Lagebildes durch:
- Erfassen von Schadensereignissen
- Bilden von Einsatzabschnitten mit festgelegten Aufgaben
- Visualisierung von Einsatzmittelpositionen
- Durchführung einer Lageplanung durch:
- Benachrichtigung über Einsatzmittel, die am Einsatzort eintreffen
- Zuweisen von Einsatzmitteln zu Einsatzabschnitten
Die Systemstruktur der Anwendung sollte so ausgelegt sein, dass die im Lagebild erfassten Informationen (Schadensereignisse und Einsatzabschnitte) in Echtzeit verteilt werden können. Ein besonderer Fokus lag zudem auf der Verwendung einer eventbasierten Architektur, mit der es möglich ist Echtzeitinformationen (Position und Status) zu Einsatzmitteln der Feuerwehr automatisiert so aufzubereiten, dass sie zeitnah in der mobilen Kartenanwendung visualisiert werden können.
Systemarchitektur
Zur Verteilung der o.g. und für MoLas notwendigen Informationen, war es erforderlich, die Anwendung als Client-Server-System auszulegen. Für Anwendungen, die Zugriff auf Einsatzinformationen benötigen, wird bei der Feuerwehr Duisburg ein Replikat der Einsatzdatenbank bereitgestellt. So werden Konsistenz und Reaktionsfähigkeit der originalen Einsatzdatenbank, die ausschließlich das Einsatzleitsystem nutzt, gewährleistet. Dienste eines Webservers (Internet Information Services) greifen auf das Replikat zu und liefern entsprechende Daten. Unter Nutzung der Windows Communication Foundation konnte ein Dienst, der die Einsatzinformationen abruft, direkt in die mobile Kartenanwendung eingebunden werden. Für die GeoEvent Extension wurden außerdem Webservices erstellt, bei denen PHP-Skripte Daten der Einsatzdatenbank im JSON-Format bereitstellen. Dies sind Positionsdaten und Statusinformationen zu Einsatzmitteln sowie die o.g. Einsatzinformationen. Der Zugriff auf Daten, die notwendig sind, um das Lagebild zu generieren, ist über zwei Feature Services möglich; diese werden mit ArcGIS for Server gehostet. Ein Feature Service ist für Einsatzabschnitte und Schadensereignisse vorgesehen. Dieser wird mit den erfassten Daten aus der mobilen Kartenanwendung befüllt. Der zweite Feature Service soll Einsatzmitteldaten bereitstellen. Für diesen werden Echtzeitdaten zu Einsatzmitteln mit der ArcGIS GeoEvent Extension for Server aufbereitet.
GeoEvent-Service für Einsatzmittel
Die Fahrzeuge der Feuerwehr Duisburg sind mit sogenannten rescuetrack-Systemen ausgestattet. Diese übertragen in festen Intervallen die aktuelle Position eines Fahrzeugs zum Einsatzleitsystem. Mit Hilfe der ArcGIS GeoEvent Extension for Server wurde ein eventbasierter Lösungsansatz entwickelt, der es ermöglicht, diese Daten automatisiert für einen Feature-Service aufzubereiten.
Als Input Connector wurde „Poll an external website for JSON“ verwendet. Dieser ruft in festen Intervallen über eine URL ein PHP-Skript auf, das aktuelle Statusinformationen und die Positionen aller Einsatzmittel im JSON-Format bereitstellt.
Der Output Connector „Update a feature“ aktualisiert Features eines Feature Service für Einsatzmittel bzw. fügt diese einmalig hinzu, falls sie noch nicht vorhanden sind.
Ein GeoEvent-Service verarbeitet die Echtzeitdaten der Einsatzmittel zwischen Ein- und Ausgabe durch die Kombination von Input und Output Connector und ermittelt, ob sich ein Einsatzmittel in der Nähe des ihm zugewiesenen Einsatzortes befindet. Dazu werden Einsatzumgebungen dynamisch mit Hilfe von GeoFences (Kreise) berechnet. Dieser Schritt erfolgt über einen weiteren GeoEvent-Service (siehe Abbildung 2), der Datensätze zu allen aktiven Einsätzen im JSON-Format abruft. Auf die Einsätze wird der Buffer Creator angewendet, der einen Puffer mit einem Radius von 1000 m um die Koordinaten eines Einsatzortes erstellt. Die so erzeugten Einsatzumgebungen werden schließlich an einen Feature Service weitergeleitet. Durch Synchronisation mit dem Feature Service ist es nun möglich, die Einsatzumgebungen als GeoFences in der GeoEvent Extension dynamisch bereitzustellen.
Beim GeoEvent-Service zur Aufbereitung der Einsatzmitteldaten (siehe Abbildung 3) ermittelt zunächst ein GeoTagger für jedes Einsatzmittel diejenigen GeoFences, in denen es sich befindet. Ein Field Calculator überprüft, ob unter den ermittelten GeoFences dasjenige dabei ist, welches demselben Einsatz entspricht, dem das Einsatzmittel zugewiesen wurde. Ist das der Fall, ist das Einsatzmittel in der Nähe des Einsatzortes angekommen. Das Ergebnis der Abfrage wird in einem zusätzlichen Attribut hinterlegt und kann in der Kartenanwendung verwendet werden, um die Meldung auszugeben, dass das Einsatzmittel in Kürze den Einsatzort erreichen wird.
MoLas App
Zur Abbildung der Funktionen des Taktischen Arbeitsblattes und der Taktischen Arbeitstafel wurde als mobile Kartenanwendung eine Windows Store-App entwickelt. Die Implementierung eines dynamischen Lagebildes erfolgte durch die Verwendung des ArcGIS Runtime SDK for .NET (Store API). Es wurden Kartenfunktionen implementiert, die es ermöglichen, Schadensereignisse in das Lagebild einzutragen sowie Einsatzabschnitte zu bilden. Der Abruf und die Verteilung dieser Daten ist durch Einbinden der Feature Services möglich. Insbesondere durch die Symbolisierung von Schadensereignissen durch Taktische Zeichen oberhalb und unterhalb des Lagebildes und die Positionierung über Verbindungslinien wurde der Wiedererkennungswert zu den beiden o.g. Führungsmitteln erhalten (siehe Abbildung 4, Bereich Lagebild). Zudem konnte durch die Nutzung von Offline Patterns sichergestellt werden, dass die Anwendung auch bei Verlust der Internetverbindung verwendet werden kann. Zu diesem Zweck werden lokale Kartenkachelpakete als Grundkarten genutzt sowie Gebäudedaten durch die Synchronisation einer lokalen Geodatabase mit einem Feature Service eingebunden.
Auf einer Übersichtsseite werden alle laufenden Einsätze aufgelistet. Aus dieser lässt sich ein Einsatz auswählen, zu dem dann das Lagebild erstellt wird. Die wichtigsten Informationen zu dem gewählten Einsatz werden kompakt in einem eigenen Bereich visualisiert (siehe Abbildung 5, Bereich Einsatzinfos). Das als Attribut hinterlegte Ergebnis der Ermittlung des GeoEvent-Service über die Ankunft eines Einsatzmittels wird verwendet, um eine entsprechende Meldung auszugeben (siehe Abbildung 5, Bereich Lageplanung). Der Einsatzleiter hat hier die Möglichkeit, zu erfahren, für welchen Einsatzabschnitt das Einsatzmittel vorgesehen ist oder diesem einen Einsatzabschnitt zuzuweisen, falls dies noch nicht geschehen ist.
Aktualität
Durch den Einsatz der ArcGIS GeoEvent Extension for Server hat sich eine gewisse Problematik ergeben: Die Echtzeitdaten zu Einsatzmitteln werden in bestimmten Intervallen über einen GeoEvent-Service abgerufen, um sie nach der Verarbeitung an einen Feature Service weiterzuleiten. Zur Visualisierung in der mobilen Kartenanwendung werden diese Daten wiederum in bestimmten Intervallen abgerufen. Je nachdem, wie die Intervalle gewählt werden, können bei ungünstigen Abrufzeitpunkten erhebliche Verzögerungen bei der Darstellung der Einsatzmittelpositionen eintreten. Im Worst Case wird in der Kartenanwendung die Position eines Einsatzmittels dargestellt, die nicht mehr der aktuell vorhandenen Position in der Einsatzdatenbank entspricht. Eine Möglichkeit, diese Verzögerung zu reduzieren, wäre, dass der GeoEvent-Service die Daten direkt an die Clients weiterleitet. Eine solche Fähigkeit besitzt z.B. ein Stream-Service. Dieser wird momentan allerdings nur durch Clients unterstützt, die mit der JavaScript API entwickelt wurden. Sollte es in Zukunft möglich sein, Stream-Services auch für Clients, die mit der .NET API entwickelt wurden, zu nutzen, wäre dies ein wichtiger Schritt, um Echtzeitdaten der Feuerwehr deutlich aktueller für einen größeren Nutzerkreis bereitzustellen.
Fazit
Das im Rahmen der Bachelorarbeit entwickelte Mobile Lagedarstellungssystem (MoLas) kann bei der Feuerwehr Duisburg als mobiles Führungsmittel von Einsatzleitkräften genutzt werden. Die Auslegung als Client-Server-System ermöglicht die Verteilung der im Lagebild erfassten Schadensereignisse sowie der vorgenommenen Lageplanung an alle Benutzer. Damit besteht zum ersten Mal bei der Feuerwehr die Möglichkeit, zeitnah ein umfassendes Lagebild des Einsatzortes für alle betroffenen Einsatzkräfte zu erstellen. Bisher hat die Verteilung von Informationen aufwendig über Funk stattgefunden. Gegenüber dieser Vorgehensweise bietet MoLas eine erhebliche Zeitersparnis, die im Notfall entscheidend bei der Rettung von Menschenleben sein kann. Auch die Visualisierung der Positionen von Einsatzmitteln sowie die Benachrichtigung über deren Ankunft ist eine Innovation. Bisher gab es für den Einsatzleiter keine Möglichkeit, vor Ort zu erfahren, wo sich Einsatzmittel befinden und wann sie dort eintreffen. Diese Informationen sind jedoch Voraussetzung dafür, dass er rechtzeitig und angemessen auf die aktuelle Gefahrenlage reagieren kann.
Bevor MoLas produktiv bei der Feuerwehr Duisburg eingesetzt werden kann, wird zunächst noch eine umfassende Testphase stattfinden. In dieser werden ausgewählte Einsatzkräfte die Anwendung bei tatsächlich stattfindenden Einsätzen verwenden. Die Erfahrungen aus dieser Phase sollen genutzt werden, um mögliche Anpassungen und Verbesserungen hinsichtlich Bedienbarkeit und Systemverhalten unter schwierigen Bedingungen vorzunehmen. Erst wenn tatsächlich eine zuverlässige Verwendung gewährleistet werden kann, wird MoLas als mobiles Führungsmittel eingeführt.
Sebastian Drost
Hochschule Bochum, Studiengang Geoinformatik